Onkoforum Celle

SelbsthilfeGRUPPE

WIR - Gesprächsgruppe für Frauen

„Wäre ich nur viel früher gekommen“, sagt eine Teilnehmerin der Gruppe „WIR“, „aber ich dachte nach der Krebsdiagnose, ich komme alleine klar.“ Doch dann reichten die Gespräche mit der Familie nicht mehr, um mit den vielen Ängsten und offenen Fragen fertig zu werden. Oder um sich Probleme von der Seele zu reden. „Ich wollte immer stark sein und meinen Partner und die Kinder nicht belasten. Oft verstanden sie gar nicht, was mit mir los war, wenn ich sagte, dass es mir schlechter ginge. Und dann wusste ich nicht, wohin ich mich wenden soll.

Bei der Krebsberatungsstelle gab es den Hinweis auf die Donnerstagsgruppe. Die Frauen in dieser Runde wissen aus eigener Erfahrung, wie der Krebs alle Lebensbereiche verändert. „Hier weiß jede gleich, was gemeint ist oder sagt: Das kenne ich.“ Kein Thema ist tabu. Hier wird gemeinsam geschwiegen, geweint, gescherzt und gelacht.

Die Gruppe WIR findet sich stets in einem Kreis zusammen: Es gibt kein Abseits, niemand sitzt in der Ecke. „Ich kann kommen, wenn mir danach ist und wegbleiben, wenn mir danach ist.“ Hier wird auch Wissen zusammengetragen: Wo welche Anträge zu stellen sind, wo und wann der Sport für Krebskranke stattfindet. „Es ist ein tolles Gefühl, so zusammen zu kommen und zu spüren, dass dann etwas fließt, was mir Kraft gibt.“

"Wäre ich nur viel früher gekommen ..."

Termine

Jeden ersten Donnerstag im Monat
17:30 – 19:15 Uhr

Treffpunkt

im Onkoforum,
Fritzenwiese 117

Ansprechpartnerinnen

Anne Gerlof, Tel. 05149 8281
Sandra Wiedemeier, Tel. 05141 43434

Bewertungen & Berichte

Lesen Sie hier einen sehr einfühlsamen Bericht eines selbst betroffenen Journalisten über das von uns angebotene Training:

Kann Meditation Heilungsprozesse unterstützen?

Mit ermunterndem Lächeln verkündete der Urologe: „Dieser Tumor nimmt Ihrer Lebenszeit keinen Tag mehr weg. Sie sind geheilt.“ Dankbar lächelte ich zurück. Doch schon, als ich am Arm meiner Frau greisenhaft langsam aus der Praxis schlurfte, wusste ich: „Geheilt bin ich, aber gesund noch lange nicht.“

Die Operationswunde, die gefühlt die rechte Hälfte meines Torsos durchtrennt hatte, war dabei nicht das Schlimmste. Die Wunde in meinem Kopf, in meinem Geist, meiner Seele klaffte tiefer und schmerzhafter. Der Tumor und die Operation hatten mich gelehrt: „Du bist sterblich, kaputtbar, hilflos, ausgeliefert. Nichts ist sicher! Selbst der morgige Tag nicht!“ – Jede Zelle meines Körpers und auch die hinterste Ecke meines Unbewussten versuchte, mit dieser Wahrheit umzugehen. Mein Verstand hatte nicht viel zu melden in jenen Wochen: Panikattacken, Heulanfälle aus heiterem Himmel, abrupte Wechsel von Aggressivität und Depressivität konnten mich von einer Minute auf die andere erwischen.

Die Erläuterung der Mitarbeiterin der Onkologie-Nachsorge klang hart, aber ich fand sie hilfreich: „Die meisten Todesfälle von Menschen in der Krebsnachsorge sind auf Angst zurückzuführen, Herzinfarkte und ähnliches. Viele halten die Angst vor den regelmäßigen Nachuntersuchungen nicht aus.“ Klingt brutal, aber mich brachte es auf die richtige Spur: Nicht mein Körper ist mein Feind, nicht das am Rande meiner Realität ständig lauernde Krebsmonster. Nein, meine eigene Angst ist es, die mir jetzt gefährlich werden kann.


Das Gehirn umbauen

In diese Situation hinein bekam ich den Tipp, mich für das „Achtsamkeits- Training“ des Onkologischen Forums zu bewerben. Und dieser Vorschlag war genau das, was ich brauchte, um die Wunde in meinen Kopf zu heilen. Dazu muss man wissen: Achtsamkeitstraining hat nichts mit „Ommm-Murmeln“ und fernöstlicher Wohlfühlesoterik zu tun. Gut, am Anfang glaubt man, es geht um nichts anderes, als still zu sitzen und seinen Atem zu beobachten.

Natürlich hat es ganz unmittelbar eine entspannende, Stress abbauende Wirkung, wenn man sich jeden Tag eine halbe Stunde mit geschlossenen Augen hinsetzt und versucht, an nichts zu denken. Aber das ist eher ein Nebeneffekt. Eigentlich geht es – jedenfalls mir inzwischen – darum, das eigene Gehirn „umzubauen“.

Das Wort „Training“ für den Achtsamkeitskurs ist der Hinweis darauf. Acht Wochen lang, jeden Montagnachmittag in der Gruppe und die übrigen Wochentage mit durchaus anspruchsvollen Hausaufgaben, trainiert man … tja, was eigentlich? Zunächst lernt man, überhaupt erstmal wahrzunehmen, dass wir eine Aufmerksamkeit haben, die wie eine Taschenlampe ist, und dass wir steuern können, was wir aufmerksam, also „achtsam“ betrachten wollen und was nicht.

So übt man in der ersten Woche hauptsächlich den „Bodyscan“ und versucht gelegentlich wirklich „achtsam“ eine Mahlzeit zu essen. Das mit dem Essen ist einfach: Wie fühlt sich eine Rosine an? Wie klingt sie, wenn ich sie dicht an meinem Ohr zwischen den Fingern drehe? Kann ich in ihrem Aroma und Geschmack den Sonnenschein erahnen, der zum Wachsen der Traube nötig war? Das bekommt man mit der normalen Aufmerksamkeit und der eigenen Fantasie noch relativ leicht hin … und ist trotzdem erstaunt, welche Wucht von Duft, Klang und Tasterlebnissen sich zeigt, wenn man mit Aufmerksamkeit und Konzentration ein Stück Nahrung erforscht.


Aufmerksamkeit gezielt steuern

Schwieriger ist das schon mit dem „Bodyscan“. Versuchen Sie mal, möglichst bewegungslos mit ihrer Aufmerksamkeit ganz sachte, freundlich und achtsam 40 Minuten lang jede Faser ihres Körpers wahrzunehmen; vom linken großen Zeh, über das Innere des Kniegelenks bis hin zu den Haarspitzen. Ich habe Wochen gebraucht, bis ich bei dieser Übung nicht mehr einschlief. Sehr entspannend eben, aber darum geht es bei der Übung nicht. Während man da liegt und versucht, den Kontakt der Kleidung mit der Haut wahrzunehmen, driftet der Geist ab. Das ist ganz normal, sagt die anleitende Stimme, die mich – zuhause auf der CD, am Übungsnachmittag life – durch meinen Körper schickt. Die Tatsache, dass ich irgendwann wahrnehme: „Sieh an, jetzt ist dein Gehirn abgehauen und grübelt über lieb gewordene Alltagssorgen nach!“, ist ein Moment der Achtsamkeit. Denn ich erkenne, was tatsächlich in meinem Kopf passiert, dass – unkontrollierbar für mich – Gedanken und Gefühle in meinem Gehirn „gemacht“ werden und dass ich die meiste Zeit meines Lebens mit meiner Aufmerksamkeit gar nicht in der Gegenwart bin, sondern irgendwo in der Vergangenheit, also in Erinnerungen, oder in der Zukunft, also in Ängsten, Erwartungen, Hoffnungen.

Das ist ganz normal. So ist unser Gehirn nun mal gebaut. Aber es macht uns zum Spielball von Gefühlen und Gedanken, die von irgendwelchen äußeren Reizen ausgelöst werden und die nicht wirklich das „Hier und Jetzt“ sind, in dem ich tatsächlich lebe. Und wenn man mit schweren Situationen und Erlebnissen zu tun hat – oder hatte – dann sorgt diese Kopfkino-Eigenschaft des Gehirns dafür, dass mein Stress- und Not-Level schön ungesund hoch bleiben.

Das übt man dann in der zweiten Woche. In diesem Tagen liegt der Schwerpunkt darauf, sich bewusst zu machen, wie wir die Welt wahrnehmen und für eine neue Meditationsform, die „Sitzmeditation“, wird die Grundlage gelegt. Mit Hilfe von Fragebogen erarbeitet man sich jetzt die Erkenntnis, dass jedes Erlebnis aus einer Kaskade besteht: Ein äußerer Reiz, ein Anlass, ein Geschehen, ein „Vorgang“ etc. Ja, natürlich, das ist ein Erlebnis. Fertig! – Fertig? Oh, nein. Denn jeder äußere Reiz löst eine Reaktion aus – zunächst im Körper. Was spüre ich in meinem Körper, wenn meine Frau sagt: Bring mal den Müll raus? Und: Merke ich überhaupt, dass dieser Satz in mir eine Reaktionskette auslöst? Denn diese Reaktion meines Körpers ist nur der Anfang. Daraus baut mein Gehirn jetzt Stimmungen, Gefühle und Gedanken – und das alles zusammen wird dann für mich zu dem „Er-Leb-nis“. Und das ist immer so – nicht nur bei der Konfrontation mit der Mülltonne.


Autopilot abschalten und selbst leben

An dieser Stelle kann man das Ziel des Achtsamkeitstrainings erkennen: Mit meiner Aufmerksamkeit kann ich beobachten, dass alles, was mir passiert – egal ob Kleinigkeit oder große Katastrophe – in mir Reaktionen auslöst: Körperempfindungen, Gedanken, Gefühle, Stimmungen. Und die Empfindungen, Gedanken und Gefühle sind das, was ich irgendwo in meinem Gehirn selbst erzeuge. Und diesen Mechanismus kann ich mit einiger Übung beobachten und lernen, damit umzugehen: Sind diese Gefühle jetzt und hier hilfreich? Was macht denn dieser Gedanke jetzt, in dieser Situation hier? Und so lerne ich langsam, dass ich nicht im Autopilot-Modus „bewusst-los“ durch mein Leben brettern muss, sondern mit Achtsamkeit meine Gedanken und Stimmungen als etwas erkennen kann, das nun mal in mir geschieht und dass ich liebevoll lenken und nutzen kann.

Der Rest ist Übungssache. Und das wird in den folgenden Trainingswochen konsequent vertieft: Im Körper beheimatet sein; Stress – wie geht das; Gedanken erkennen und den richtigen Wolf füttern; Gefühle willkommen heißten; achtsam kommunizieren; freundlich zu sich selbst sein.

Das klingt aber nur nach akademischem Lernprogramm. Im Grunde ist es eben ein Übungsprogramm, das eben mit dem einfachen „Sitzen“ anfängt: Nichts muss verändert, nichts muss erreicht werden. Deine einzige Aufgabe ist es: Dich selbst zu mögen und darauf zu achten, wie dein Atem durch deine Nasenlöcher streicht. Und immer wenn du spürst: Mein Gehirn macht wieder den Filmprojektor an, kannst du dich mit einem leichten inneren Lächeln zurück holen und dich selbst einladen, nichts anderes zu tun, als den eigenen Atem dabei zu beobachten, wie er dich am Leben erhält.

Übrigens: Dieses „innere Lächeln“, der freundliche Umgang mit sich selbst durchzieht alle Übungen des Achtsamkeitstrainings. Und das ist etwas, das wir ohnehin alle dringend brauchen, ob traumatisiert oder pumperlgesund: Immer wieder üben, sich selbst lieb zu haben und in Ordnung zu finden – so, wie ich bin, jetzt in diesem Moment. Das sind die ersten Schritte, eines Lernweges, der nach den acht Wochen des Kurses nicht endet. Achtsamkeit ist wie Fitnesstraining: Man muss regelmäßig trainieren, dann wird der Achtsamkeitsmuskel leistungsfähiger – und wenn man aufhört zu üben, erschlafft er eben langsam wieder.

Vor einigen Monaten endete der Kurs für mich. Ich habe mir inzwischen vier verschiedene „Meditiationsformate“ ausgesucht, die ich – möglichst täglich – je nach Stimmung und Situation wechselnd praktiziere. Ich bin dadurch kein anderer Mensch geworden. Aber vor ein paar Tagen musste ich – mal wieder – für eine Nachuntersuchung drei Ampullen Blut aus meinem Arm zapfen lassen.

„Nachuntersuchung“, das Gruselwort. Kurz nach meiner Tumoroperation konnte ich mit medizinischen Untersuchungen gar nicht mehr gut umgehen. Ich hatte sogar mal einen Angstanfall, als mein Zahnarzt – zur Kontrolle – meinen Unterkiefer röntgen wollte. Nun saß ich da, schaute zum ersten Mal in meinem Leben auf meine Armbeuge, während die kunstfertige Laborfachfrau mir den kleinen Vampir-Schmetterling in die Vene schob und ich fand es interessant, den kleinen Pieks zu spüren, registrierte meine Körperreaktion darauf (mit dem rechten Fuß dreimal wippen – war mir bisher auch noch nicht klar, dass ich das beim Blut abnehmen mache), beobachtete mit Interesse, wie behutsam und routiniert die nette Dame einen Kolben nach dem anderen aufzog, registrierte, wie dunkel mein Blut durch den kleinen Schlauch lief und nahm gleichzeitig wahr, dass ein Teil meines Gehirns darüber nachdachte, für wie lange sich nun mein Blutdruck absenken würde.

In ein paar Wochen von hilfloser Panik beim Anblick eines weißen Kittels zu friedlicher kindlicher Neugierde. Ich habe nicht ständig solche Erfolgserlebnisse. Ich weiß auch nicht, wieviel von dieser Veränderung „normaler“ Heilungsprozess ist. Aber ich bin sicher, ohne das regelmäßige Achtsamkeitstraining würde es mir nicht so gut gehen, wie heute an diesem Morgen.

Klaus Hampe (2019)

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