Tasmanische Teufel können sich im Kampf beim Rivalen mit Krebs anstecken. Doch könnten Krebszellen auch von Mensch zu Mensch übertragen werden? Das erklärt unsere Kolumnistin.
Durch die Coronapandemie sind übertragbare Erkrankungen stark in den öffentlichen Fokus gerückt. Manchmal werde ich gefragt: Ist Krebs eigentlich auch ansteckend? Zunächst einmal vorweg: Krebszellen entstehen aus den eigenen Körperzellen. Sie sind keine Eindringlinge von außen und sind nicht infektiös. Deshalb muss man keine Berührungsängste gegenüber Krebspatientinnen und -patienten haben: Sie sind nicht ansteckend. Direkte Übertragungen von Krebszellen beim Menschen sind in der Literatur nur äußerst selten beschrieben – in welchen Fällen es dennoch dazu kommen kann, erkläre ich in einem späteren Abschnitt
Tasmanische Teufel übertragen Krebs mit Bissen
Anders sieht es jedoch im Tierreich aus: Hier sind mehrere Beispiele von übertragbaren Krebserkrankungen bekannt, beispielsweise beim Tasmanischen Teufel. Ein nicht geringer Teil der Tiere leidet an der so genannten Devil Facial Tumor Disease, einer Krebserkrankung, die das Gesicht befällt. Kämpft ein solch betroffenes Exemplar mit einem Artgenossen und beißen sie sich gegenseitig ins Maul, kann sich der Krebs tatsächlich übertragen. Das ist nur möglich, weil die Krebszellen durch die Bisse direkt im Gegenüber »eingepflanzt« werden. Seit die Krankheit 1996 entdeckt wurde, hat sich die Anzahl der Tasmanischen Teufel innerhalb von zehn Jahren um mehr als 80 Prozent dezimiert. Mittlerweile erholen sich die Populationen allerdings wieder. Auch bei Hunden ist eine übertragbare Krebserkrankung, das Sticker-Sarkom, bekannt: Der Krebs befällt die äußeren Geschlechtsorgane der Tiere und kann durch Geschlechtsverkehr oder durch Lecken an den betroffenen Stellen auf ein anderes Tier übertragen werden. Auch hier geht man davon aus, dass sich Tumorzellen über kleinste Wunden in die Schleimhaut einnisten. Bei der Sandklaffmuschel existiert eine Form von übertragbarem Blutkrebs. Da Muscheln keinen direkten Kontakt zueinander haben, werden die Krebszellen vermutlich durch das Wasser von Muschel zu Muschel transportiert.
Krebsübertragung bei Menschen sind Einzelfälle
Nun zu den wenigen Fällen aus der Literatur, bei denen Krebs von Mensch zu Mensch übertragen wurde: Falls beispielsweise ein Organ eines Spenders von Krebs befallen ist, aber bislang unentdeckt geblieben ist und einem Empfänger transplantiert wird, so kann dieser womöglich ebenfalls an Krebs erkranken. In den bislang beschriebenen Fällen konnten sich die Krebszellen vermutlich in dem fremden Körper ausbreiten, weil die Empfänger Medikamente einnahmen, die das Immunsystem bremsten, um das Risiko einer Abstoßung des neuen Organs zu verringern. Aus diesem Grund sind Menschen, die Krebs haben oder hatten, in Deutschland von der Blut- und Organspende ausgeschlossen. Krebsübertragungen durch Bluttransfusionen sind bisher nicht bekannt. Auch ist ein Fall eines Chirurgen veröffentlicht worden, der sich während einer Krebsoperation mit dem Skalpell an der Hand verletzte. In den darauffolgenden Wochen entwickelte sich eine Schwellung an dieser Stelle. Eine Untersuchung zeigte, dass es sich um dieselbe seltene Krebsart wie die des Patienten handelte. In einem anderen Fall verletzte sich eine Labormitarbeiterin an einer Nadel, an der Tumorzellen klebten, und entwickelte an der Einstichstelle eine Krebserkrankung.
Seltene Krebsübertragung während der Geburt
Japanische Wissenschaftler berichteten von zwei Fällen von Kleinkindern mit ungewöhnlichen Lungentumoren. Bei den Müttern der beiden war nach der Geburt Krebs am Gebärmutterhals festgestellt worden. Untersuchungen zeigten dann, dass es sich bei den Lungentumoren um Krebszellen der Mütter handelte. Vermutlich hatten die Kinder die Zellen während der Geburt durch den Gebärmutterhals eingeatmet. Weil das Immunsystem der Neugeborenen noch nicht voll ausgebildet war, konnte es die fremden Zellen wohl nicht erkennen. Dass Krebserkrankungen während der Schwangerschaft oder Geburt übertragen werden, ist extrem selten. All diesen Fälle ist gemeinsam, dass Krebszellen direkt in einen meist immungeschwächten Körper übertragen wurden. Bei Millionen Krebskranken auf der ganzen Welt sind nur wenige solcher Fälle beschrieben. Im Alltag geht also keinerlei Ansteckungsgefahr von Krebspatientinnen- und -patienten aus.
Auch das Hepatitis-B-Virus kann die Entstehung von Krebs fördern. Es wird vor allem durch ungeschützten Sexualkontakt übertragen und kann chronische Leberentzündungen verursachen, aus denen in seltenen Fällen Krebs entstehen kann. Auch gegen dieses Virus existiert eine Schutzimpfung. Nicht so jedoch gegen das Hepatitis-C-Virus, das über eine Leberentzündung zur Krebsentstehung beitragen kann. Inzwischen ist eine medikamentöse Heilung der Infektion möglich.
Das Ebstein-Barr-Virus (EBV) wiederum ist ein Herpesvirus, mit dem viele Menschen infiziert sind, ohne dass sie Beschwerden haben. Es wird vor allem über Speichel übertragen und kann das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen und ist zudem mit bestimmten Arten von Lymphdrüsenkrebs und Krebs im Nasenrachen assoziiert. Ein anderes Herpesvirus, Humanes Herpes-Virus 8 genannt, kann bei Immungeschwächten die Entstehung des so genannten Kaposi-Sarkoms sowie von bestimmten Lymphdrüsenkrebserkrankungen begünstigen. Eine Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus HIV geht mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebserkrankungen einher, etwa dem eben genannten Kaposi-Sarkom, Gebärmutterhalskrebs und Arten von Lymphdrüsenkrebs. Das so genannte humane T-lymphotrope Virus 1 kann selten eine Form vom Blutkrebs auslösen.
Auch Bakterien und Parasiten können zur Krebsentstehung beitragen. Ein Beispiel ist das weit verbreitete Bakterium Helicobacter pylori. Es kann eine Magenschleimhautentzündung hervorrufen und die Entstehung von Magenkrebs und einer bestimmten Art von Lymphdrüsenkrebs begünstigen. Eine Impfung existiert nicht, eine Infektion kann aber mit Antibiotika therapiert werden. Die Wurmerkrankung Schistosomiasis (Bilharziose) kann die Entstehung von Blasenkrebs begünstigen, eine Infektion mit dem Wurm Opisthorchis viverrini die Entstehung von Gallengangskrebs. Direkte Übertragungen von Krebs spielen im Alltag also praktisch keine Rolle. Relevant sind hingegen übertragbare Krankheitserreger, die das Krebsrisiko erhöhen können. Wer sein Risiko verringern möchte, sollte keinesfalls Berührungsängste gegenüber Betroffenen haben und sich stattdessen gegen das Humane Papillomvirus sowie gegen das Hepatitis-B-Virus impfen lassen.
Ist Krebs ansteckend?
Tasmanische Teufel können sich im Kampf beim Rivalen mit Krebs anstecken. Doch könnten Krebszellen auch von Mensch zu Mensch übertragen werden? Das erklärt unsere Kolumnistin.
Durch die Coronapandemie sind übertragbare Erkrankungen stark in den öffentlichen Fokus gerückt. Manchmal werde ich gefragt: Ist Krebs eigentlich auch ansteckend? Zunächst einmal vorweg: Krebszellen entstehen aus den eigenen Körperzellen. Sie sind keine Eindringlinge von außen und sind nicht infektiös. Deshalb muss man keine Berührungsängste gegenüber Krebspatientinnen und -patienten haben: Sie sind nicht ansteckend. Direkte Übertragungen von Krebszellen beim Menschen sind in der Literatur nur äußerst selten beschrieben – in welchen Fällen es dennoch dazu kommen kann, erkläre ich in einem späteren Abschnitt
Tasmanische Teufel übertragen Krebs mit Bissen
Anders sieht es jedoch im Tierreich aus: Hier sind mehrere Beispiele von übertragbaren Krebserkrankungen bekannt, beispielsweise beim Tasmanischen Teufel. Ein nicht geringer Teil der Tiere leidet an der so genannten Devil Facial Tumor Disease, einer Krebserkrankung, die das Gesicht befällt. Kämpft ein solch betroffenes Exemplar mit einem Artgenossen und beißen sie sich gegenseitig ins Maul, kann sich der Krebs tatsächlich übertragen. Das ist nur möglich, weil die Krebszellen durch die Bisse direkt im Gegenüber »eingepflanzt« werden. Seit die Krankheit 1996 entdeckt wurde, hat sich die Anzahl der Tasmanischen Teufel innerhalb von zehn Jahren um mehr als 80 Prozent dezimiert. Mittlerweile erholen sich die Populationen allerdings wieder. Auch bei Hunden ist eine übertragbare Krebserkrankung, das Sticker-Sarkom, bekannt: Der Krebs befällt die äußeren Geschlechtsorgane der Tiere und kann durch Geschlechtsverkehr oder durch Lecken an den betroffenen Stellen auf ein anderes Tier übertragen werden. Auch hier geht man davon aus, dass sich Tumorzellen über kleinste Wunden in die Schleimhaut einnisten. Bei der Sandklaffmuschel existiert eine Form von übertragbarem Blutkrebs. Da Muscheln keinen direkten Kontakt zueinander haben, werden die Krebszellen vermutlich durch das Wasser von Muschel zu Muschel transportiert.
Krebsübertragung bei Menschen sind Einzelfälle
Nun zu den wenigen Fällen aus der Literatur, bei denen Krebs von Mensch zu Mensch übertragen wurde: Falls beispielsweise ein Organ eines Spenders von Krebs befallen ist, aber bislang unentdeckt geblieben ist und einem Empfänger transplantiert wird, so kann dieser womöglich ebenfalls an Krebs erkranken. In den bislang beschriebenen Fällen konnten sich die Krebszellen vermutlich in dem fremden Körper ausbreiten, weil die Empfänger Medikamente einnahmen, die das Immunsystem bremsten, um das Risiko einer Abstoßung des neuen Organs zu verringern. Aus diesem Grund sind Menschen, die Krebs haben oder hatten, in Deutschland von der Blut- und Organspende ausgeschlossen. Krebsübertragungen durch Bluttransfusionen sind bisher nicht bekannt. Auch ist ein Fall eines Chirurgen veröffentlicht worden, der sich während einer Krebsoperation mit dem Skalpell an der Hand verletzte. In den darauffolgenden Wochen entwickelte sich eine Schwellung an dieser Stelle. Eine Untersuchung zeigte, dass es sich um dieselbe seltene Krebsart wie die des Patienten handelte. In einem anderen Fall verletzte sich eine Labormitarbeiterin an einer Nadel, an der Tumorzellen klebten, und entwickelte an der Einstichstelle eine Krebserkrankung.
Seltene Krebsübertragung während der Geburt
Japanische Wissenschaftler berichteten von zwei Fällen von Kleinkindern mit ungewöhnlichen Lungentumoren. Bei den Müttern der beiden war nach der Geburt Krebs am Gebärmutterhals festgestellt worden. Untersuchungen zeigten dann, dass es sich bei den Lungentumoren um Krebszellen der Mütter handelte. Vermutlich hatten die Kinder die Zellen während der Geburt durch den Gebärmutterhals eingeatmet. Weil das Immunsystem der Neugeborenen noch nicht voll ausgebildet war, konnte es die fremden Zellen wohl nicht erkennen. Dass Krebserkrankungen während der Schwangerschaft oder Geburt übertragen werden, ist extrem selten. All diesen Fälle ist gemeinsam, dass Krebszellen direkt in einen meist immungeschwächten Körper übertragen wurden. Bei Millionen Krebskranken auf der ganzen Welt sind nur wenige solcher Fälle beschrieben. Im Alltag geht also keinerlei Ansteckungsgefahr von Krebspatientinnen- und -patienten aus.
Viren können Krebs auslösen
Allerdings gibt es eine Reihe von übertragbaren Erregern, die eine Krebsentstehung begünstigen können. Der Wichtigste ist das Humane Papillomvirus (HPV). Es wird vor allem über ungeschützten Sexualkontakt übertragen und kann zur Entstehung von Krebs an Gebärmutterhals, Vagina, Penis, Anus und im Rachenbereich führen. Derzeit wird untersucht, ob das Virus noch weitere Krebserkrankungen auslösen könnte. Etwa 80 Prozent aller Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV. Schätzungen zufolge sind in Deutschland jedes Jahr insgesamt rund 7700 Krebsneuerkrankungen auf HPV zurückzuführen, etwa ein Fünftel davon betrifft Männer. In Deutschland sterben jedes Jahr rund 1500 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Der deutsche Wissenschaftler Harald zur Hausen wurde für die Entdeckung, dass das Virus Krebs auslöst, und seinen Beitrag zur Entwicklung des Impfstoffs mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Es wird empfohlen, Mädchen und Jungen im Alter zwischen 9 und 17 Jahren gegen HPV zu impfen, noch bevor diese sexuell aktiv werden. Aber auch im Erwachsenenalter sind Impfungen gegen HPV sinnvoll. Unter Geimpften tritt beispielsweise Gebärmutterhalskrebs erwiesenermaßen seltener auf als bei Ungeimpften.
Auch das Hepatitis-B-Virus kann die Entstehung von Krebs fördern. Es wird vor allem durch ungeschützten Sexualkontakt übertragen und kann chronische Leberentzündungen verursachen, aus denen in seltenen Fällen Krebs entstehen kann. Auch gegen dieses Virus existiert eine Schutzimpfung. Nicht so jedoch gegen das Hepatitis-C-Virus, das über eine Leberentzündung zur Krebsentstehung beitragen kann. Inzwischen ist eine medikamentöse Heilung der Infektion möglich.
Das Ebstein-Barr-Virus (EBV) wiederum ist ein Herpesvirus, mit dem viele Menschen infiziert sind, ohne dass sie Beschwerden haben. Es wird vor allem über Speichel übertragen und kann das Pfeiffersche Drüsenfieber auslösen und ist zudem mit bestimmten Arten von Lymphdrüsenkrebs und Krebs im Nasenrachen assoziiert. Ein anderes Herpesvirus, Humanes Herpes-Virus 8 genannt, kann bei Immungeschwächten die Entstehung des so genannten Kaposi-Sarkoms sowie von bestimmten Lymphdrüsenkrebserkrankungen begünstigen. Eine Infektion mit dem humanen Immundefizienz-Virus HIV geht mit einem erhöhten Risiko für bestimmte Krebserkrankungen einher, etwa dem eben genannten Kaposi-Sarkom, Gebärmutterhalskrebs und Arten von Lymphdrüsenkrebs. Das so genannte humane T-lymphotrope Virus 1 kann selten eine Form vom Blutkrebs auslösen.
Auch Bakterien und Parasiten können zur Krebsentstehung beitragen. Ein Beispiel ist das weit verbreitete Bakterium Helicobacter pylori. Es kann eine Magenschleimhautentzündung hervorrufen und die Entstehung von Magenkrebs und einer bestimmten Art von Lymphdrüsenkrebs begünstigen. Eine Impfung existiert nicht, eine Infektion kann aber mit Antibiotika therapiert werden. Die Wurmerkrankung Schistosomiasis (Bilharziose) kann die Entstehung von Blasenkrebs begünstigen, eine Infektion mit dem Wurm Opisthorchis viverrini die Entstehung von Gallengangskrebs. Direkte Übertragungen von Krebs spielen im Alltag also praktisch keine Rolle. Relevant sind hingegen übertragbare Krankheitserreger, die das Krebsrisiko erhöhen können. Wer sein Risiko verringern möchte, sollte keinesfalls Berührungsängste gegenüber Betroffenen haben und sich stattdessen gegen das Humane Papillomvirus sowie gegen das Hepatitis-B-Virus impfen lassen.
(spektrum.de, 4.1.2023, Marisa Kurz)
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