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Der fragwürdige „Krebs-Scan“ von HanseMerkur und Tchibo

21. Juli 2023

Fachleute kritisieren „Scharlatanerie“ (aus: focus online)

Krebs früh zu erkennen, hilft heilen. Damit spielen HanseMerkur und Tchibo für ihren angebotenen „Krebs-Scan“. Krebs-Fachleute üben massive Kritik an dem Versicherungspaket. Die zugrundeliegende Studie sei „ungereimt“, „Scharlatanerie“ und der Nutzen nicht belegt.

Die Werbung für die Versicherung „Krebs-Scan“ der HanseMerkur läuft schon seit einer Weile. Der Kaffeeröster Tchibo lockt diejenigen, die bis zum 24. Juli die Versicherung abschließen, mit einem Einkaufsgutschein in Höhe von 15 Euro. Darüber berichteten der „NDR“ und der „Bayerische Rundfunk“.

Fachleute von der Deutschen Krebsgesellschaft bewerten vor allem die Grundlage für den in der Police empfohlenen Bluttest als sehr fragwürdig. Auch die „Stiftung Warentest“ hat die Zusatzversicherung unter die Lupe genommen.

Worum geht es in der „Krebs-Scan“-Debatte?

Ein wesentlicher Baustein der Krebs-Scan Police ist der jährliche Bluttest namens PanTum Detect. Dieser soll Krebs frühzeitig erkennen können. Falls der Test ein auffälliges Ergebnis liefert, sind anschließende Untersuchungen etwa mit Positronen-Emissions-Tomographie, kurz PET/CT mit dabei. Dazu bekommen Krebserkrankte weitere Zusatzleistungen wie ein Ein- oder Zweibett­zimmer im Kranken­haus und Chef­ärzt*innenbe­hand­lung.

Die konkreten Kosten allerdings seien schwer zu durschauen, kritisiert die „Stiftung Warentest“. Zudem seien dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen keine Studien bekannt, die belegen, dass der Bluttest eine bessere Früherkennung biete als derzeit angewandte Methoden.

Die Firma Zyagnum AG aus Darmstadt, die den Test entwickelt hat, erklärte dem „NDR“ in einer schriftlichen Stellungnahme, mit PanTum Detect sei es möglich, Krebs früher zu erkennen, und ergänzte wörtlich: „Daher bezweifeln wir nicht, dass mit Krebs-Scan Menschenleben gerettet werden.“ Die Wirksamkeit des Tests sei in mehr als 60 Veröffentlichungen belegt, erklärt die Firma. Eine davon lieferte das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf als Grundlage für „Krebs-Scan“

Auf dieser Publikation des UKE fußt das Versicherungspaket „Krebs-Scan“ der HanseMerkur. In einer schriftlichen Antwort an den Bayerischen Rundfunk erklärte der Versicherer: „Uns hat jedoch insbesondere die unabhängige Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf unter der Leitung von Prof. Dr. Smeets mit über 5000 symptomlosen Patienten (aus Mai 2022) davon überzeugt, mit Krebs-Scan einen Beitrag zu leisten, die Lücke in der aktuellen Früherkennung zu schließen.“

Was sagen die Fachleute zum Bluttest?

Der „NDR“ hat bei der Deutschen Krebsgesellschaft nach dem Bluttest auf Krebs gefragt. Die Studie erfülle grundlegende wissenschaftliche Standards nicht, urteilte Jutta Hübner. Die Medizinprofessorin an der Universität Jena leitet in der Krebsgesellschaft die Arbeitsgemeinschaft Prävention und integrative Onkologie. Vor allem liefere die Studie keine Belege, dass Menschen, bei denen der Bluttest ein positives Ergebnis hat, deshalb besser behandelt oder gar geheilt werden können.

Ihr radikales Urteil über die UKE-Studie: „Es ist Scharlatanerie.“ Denn in den Augen der Medizinprofessorin werde ein Produkt vermarktet, „ohne einen Nachweis einer Wirksamkeit, eines positiven Ergebnisses“.

Weitere kritische Stimmen:

Eva Grill, Professorin für Epidemiologie an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität: „erhebliche methodische Mängel“ in der Studie

Constantin Lapa, Leiter der Nuklearmedizin des Uniklinikums Augsburg: „Das ist alles völlig ungereimt und von den Daten, die da präsentiert werden, meines Erachtens nicht nachvollziehbar.“

Michael Neumaier, Leiter der Klinischen Chemie der Universität Mannheim, stand in früheren Jahren an der Spitze der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin sowie auf europäischer Ebene an der Spitze der European Federation for Clinical Chemistry and Laboratory Medicine: „keine eindeutigen Belege dafür, dass der PanTum-Detect-Test Patientinnen und Patienten wirklich etwas bringt.“
Zudem kritisiert Neumeier, dass der Test auf Krebs über Tchibo mit Einkaufsgutschein vermarktet wird: „Hier wird der Mensch mit Gesundheitsbedenken ohne Umweg zum Konsumenten eines Gesundheits-Screenings, dessen Wert bisher in keiner einzigen wissenschaftlichen Untersuchung in angemessener Weise belegt ist.“

Problematisch ist zudem, dass die UKE-Studie zum Krebs-Bluttest Patientinnen und Patienten zwischen 50 und 70 Jahren einschloss. Die HanseMerkur und Tchibo bewerben ihren „Krebs-Scan“ aber ab 18 Jahren. Das bezieht eine Altersgruppe ein, in der Krebs grundsätzlich deutlich seltener ist als ab 50 Jahren.

Bluttest-Studie ist nicht unabhängig

Nach Aussage der Versicherung HanseMerkur ist die UKE-Studie „unabhängig“. Doch die „NDR“-Recherchen zeigen: Die Zyagnum AG, der Hersteller des Krebs-Bluttests PanTum Detect, hat sie finanziert, was die Firma bestätigt – wenn auch ohne die genaue Höhe der Fremdfinanzierung zu nennen. Das Uniklinikum Hamburg-Eppendorf machte dazu keine Angaben.

Zum Geldfluss fehlte zudem zunächst ein entsprechender Hinweis in der Veröffentlichung. Dieser ist erst nach den Recherchen des „Bayerischen Rundfunks“ ergänzt worden, 14 Monate nach der Erst-Veröffentlichung der Studie.

Die Uniklinik Hamburg-Eppendorf beantwortete Anfragen zu dem Thema nicht. Denn es sei eine interne Prüfung der Vorgänge um die UKE-Studie eingeleitet worden, die beim Versicherungs-Paket „Krebs-Scan“ eine wichtige Rolle einnimmt. Die Hinweise durch den BR nehme man „sehr ernst“. Dazu, weshalb der Verweis auf die finanziellen Interessenskonflikte fehlte, gibt es von der Zyagnum AG keine Stellungnahme.

Fazit zum Bluttest zur Früherkennung von Krebs

Das Versicherungspaket basiert also auf einer gekauften Studie des Herstellers, der Nutzen des Bluttests ist nicht belegt und der „Krebs-Scan“ ist relativ teuer. Die „Stiftung Warentest“ gibt außerdem zu bedenken: „Die Zahl der Partnerunternehmen, die den Test und eventuelle Folgeuntersuchungen durchführen, ist begrenzt. Versicherte müssen Fahrtzeiten einkalkulieren, vor allem in ländlichen Regionen.“ Bei ausgewählten Arztpraxen könnten Selbstzahler den Test auch ohne „Krebs-Scan“-Versicherung durchführen.

Das Fazit der „Stiftung Warentest“ lautet daher: „Verzichtbar“ und nennt die Versicherung der HanseMerkus einen „Krankenzusatz mit Haken“. Rund 330 Euro im Jahr (ab 70 Jahre sogar 540 Euro) seien viel Geld für eine Police, die nur ein einziges explizites Risiko abdecke.

(Focus Online, 20.7.23)

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